Der Nobelpreis für Literatur 1997 – Pressemitteilung
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Die Schwedische Akademie
Der Ständige Sekretär
Pressemitteilung
9. Oktober 1997
Der Nobelpreis für Literatur 1997
Dario Fo
“der in Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geisselt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wiederaufrichtet”
Der Dramatiker und Schauspieler Dario Fo, geboren am Lago Maggiore, ist 71 Jahre alt. Im Rahmen seiner Ausbildung studierte er u.a. an der Kunstakademie in Mailand. Er ist mit der Schauspielerin und Schriftstellerin Franca Rame verheiratet.
Fo wird seit langem auf der gesamten Welt aufgeführt und ist vielleicht der am häufigsten gespielte Dramatiker der Gegenwart; sein Einfluß ist groß. Wenn irgend jemand den Beinamen “Gaukler” in der wahren Bedeutung dieses Wortes verdient, dann ist er es. Die Mischung von Lachen und Ernst ist sein Mittel, um Übergriffe und Ungerechtigkeiten der Gesellschaft deutlich zu machen, aber auch um diese in eine grössere Perspektive zu rücken. Fo ist ein äußerst seriöser Satiriker und seine Produktion außerordentlich vielseitig. Durch seine Selbständigkeit und seinen Scharfblick ist er große Risiken eingegangen und hat Konsequenzen daraus erfahren müssen, aber er hat gleichzeitig in weiten Kreisen einen großen Widerhall erleben können.
Für Fo spielt die nicht-institutionelle Tradition eine große Rolle. Oft verweist er auf die Spielleute (Joculatores) des Mittelalters, ihre Komik und ihre Mysterien. Gerade sein zentrales Werk “Mistero buffo” aus dem Jahre 1969 gründet sich auf älteres Material, das er in seinem Geist deutet. Aber auch die Commedia dell’arte und Schriftsteller des 20. Jahrhunderts wie Majakowski und Brecht haben wichtigen Einfluß auf ihn ausgeübt.
Ein weiterer Höhepunkt der großen Produktion Fos ist “Morte accidentale di un anarchico” (“Zufälliger Tod eines Anarchisten”) aus dem Jahre 1970. Seinen Hintergrund bilden die rechtsextremistischen Bombenanschläge des Jahres 1969, für die Behörden und Presse den Anarchisten die Schuld in die Schuhe schoben. Während der Verhöre in Mailand “fiel” ein Unschuldiger aus einem Fenster des fünften Stocks. Das Stück handelt von diesen Verhören, die nach und nach von einer hamletähnlichen Gestalt (Der Besessene, il Matto) übernommen werden, der die Art Verrücktheit besitzt, die die öffentliche Lüge enthüllt.
Andere Werke, die besonders genannt werden können, sind “Non si paga! Non si paga!” (“Bezahlt wird nicht!”) aus dem Jahre 1974 und “Clacson, trombette e pernacchi” (“Hupen, kleine Trompeten und Fürze”) aus dem Jahre 1981. Letzteres ist eine Verwechslungskomödie mit Teilnehmern auf höchstem Niveau an dem zweifelhaften Spiel. In den letzten Jahren hat Fo zusammen mit Franca Rame in mehreren Stücken auch Frauenfragen behandelt.
Fos letztes Werk, “Il diavolo con le zinne” (“Der Teufel mit den Titten”), erlebte seine ersehnte Premiere Anfang August in Messina. Es ist eine satirische Komödie im Renaissance-Milieu mit einem übereifrigen Richter und einer vom Teufel besessenen Frau als Hauptpersonen. Wie immer bei Fo richtet sich auch dieses Stück gegen Erscheinungen der heutigen Gesellschaft.
Die Übersetzung der Texte Fos mit ihren aktuellen Anspielungen und ihrem Einschlag von Grammelot die Gauklersprache, die Fo auf dialektaler und lautmalender Grundlage entwickelt hat ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Nicht selten haben die Übersetzer ihre Verhaltensweise kommentiert. Ein Beispiel dafür ist Ed Emery, der in einer Anmerkung zu seiner Übersetzung von “Morte accidentale di un anarchico” schreibt, er habe sich dafür entschieden, so nahe wie möglich Fos Original zu folgen und die ursprünglichen Anspielungen beizubehalten.
Die Stärke Fos liegt darin, daß er Texte schafft, die gleichzeitig amüsieren, engagieren und Perspektiven vermitteln. Wie in der Commedia dell’arte sind sie ständig für neuzuschaffende Zusätze und Verschiebungen offen und laden die Schauspieler die ganze Zeit zu Improvisationen ein, wodurch das Publikum auf schlagkräftige Weise aktiviert wird. Es ist ein Werk von imponierender künstlerischer Vitalität und Breite.
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